Hier ein paar Predigten

 Impressionen Nevigeser Wallfahrtsdom

„Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu sein.“

Mitten im Johannesprolog findet sich dieser Satz, der mich immer wieder fasziniert, der in mir aber zugleich stets die Frage auslöst: Was heißt das eigentlich, die Macht zu haben, ein Kind Gottes zu sein? Wo erlebe ich mich durch mein Christ- und somit mein Kind-Gottes-Sein als mächtig? Für mich verweist dieses Wort in dieselbe Richtung, wie das Wort aus dem Epheserbrief: „Er erleuchtet die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid.“ Ja, im Anfang war das Wort, und alles was ist, hat seinen Ursprung in diesem Wort. Dieses Wort aber ist Christus, und so sollen, vielmehr dürfen wir erkennen, zu welcher Hoffnung wir durch den Herrn berufen sind.

Jeder Mensch ist doch mehr oder weniger auf der Suche nach dem Sinn seines Lebens, nach dem, was letztlich hält und Bestand hat. Mag der Zweifel auch noch so groß sein, gibt es da nicht in jedem dennoch einen letzten Hoffnungsschimmer, dass unser Menschsein hier auf Erden dann doch irgendwie getragen, begleitet, nicht zufällig, sondern gewollt ist? Ist nicht die Sehnsucht in unserem Herzen, die uns immer wieder umtreibt, ein ständiges sich Auflehnen gegen die Endlichkeit? Und diese Sehnsucht bricht doch hervor in vielen Arten und Gestalten. Besonders in der Musik geht mir auf, wie viel Sehnsucht sich hier verdichtet.

Als Kreisjugendseelsorger erfahre ich, wie sehr der junge Mensch auf Ewigkeit, auf unzerbrechliche und erfüllende Liebe ausgerichtet ist. Doch wie wird mein Leben sinnvoll? Wie und wo erfahre ich diese erfüllende Liebe? Mein Herz kann sein Leben lang auf der Suche sein, nach dem je Größeren. Ich kann meinen, dass ich es selber finden, suchen, mir vielleicht sogar erarbeiten muss. Ich kann mich aber auch einfach beschenken lassen. Gott vertrauen, mich an Jesus Christus festhalten und begreifen, dass mir in ihm alles, wirklich alles, also sogar mehr, als ich mir nur erdenken und erhoffen kann, geschenkt wird. Ich brauche ihn nur darum bitten: „Herr, sei du jetzt bei mir, erfülle meine Gedanken, ich lade dich ein in mein Leben.“ Wenn ich ihn so bitte und dann auch daran glaube, dass er schon da ist, werde ich erkennen, welche Macht jenen geben ist, die ihn aufnehmen. Durch ihn, durch Jesus Christus, bin ich somit zu einer Hoffnung berufen, die mich mit beiden Beinen auf der Erde stehen lässt und mir zugleich zu erkennen gibt, dass sein Reich schon jetzt, schon hier unter uns, regelrecht in mir, begonnen hat.

Zumthor-Bruder-Klaus-Kapelle in Wachendorf

Predigt zum Fest Taufe des Herrn 

„Während er betete, öffnete sich der Himmel…“

Wir feiern die Taufe des Herrn und so nicht nur Jesus Christus, sondern unsere Berufung, Gottes Kinder zu sein. Gerade bei der Taufe Jesu wird deutlich, dass an diesem Geschehen nicht nur der Sohn, sondern auch der Vater und der Heilige Geist beteiligt sind. Von Anfang an offenbart sich Gott in Jesus Christus als Liebe, als Beziehung, als ein sich gegenseitiges Schenken, Bestärken, Verstehen und voneinander Leben.

Wenn man von der Eigenschaft eines Christen spricht, sollte man nicht zuerst von einem besonders tugendhaften oder moralischen Menschen sprechen, sondern vielmehr davon, dass der Christ sich als ein von Gott angenommener und durch und durch geliebter Mensch erfährt. Somit ist er in erster Linie frei, frei von Leistung und der Sorge, dass er sich die Liebe Gottes verdienen müsste. Diese wurde ihm bereits geschenkt.

In unserer Taufe hat uns Gott ins Herz geschrieben, dass wir in unserem ganzen Menschsein von Gott angenommen, gewollt und geliebt sind. Somit gilt dem Täufling die Zusage, dass sein Leben sich nicht auf einen Abgrund hinbewegt, sondern ausgerichtet ist auf den, der von sich sagt, dass er nicht nur lieb, sondern die Liebe ist. Mit der Taufe hat mein Leben also eine Orientierung und Ausrichtung bekommen. Ich bin berufen zur Liebe, hinein genommen in die Geschichte Gottes mit den Menschen.

Doch Hand aufs Herz! Wie häufig erfreue ich mich meiner Taufgnade, meiner Berufung zum Christsein? Danke ich Gott für die große Solidarität, die er mir in der Taufe seines Sohnes bezeugt? Ist doch die Taufe Jesu ein Zeichen dafür, dass der Herr nichts von mir verlangt, was er nicht selbst zu tragen bereit gewesen wäre. Bin ich mit ihm im Leben verbunden, so werde ich es auch im Sterben sein. So ist die Taufe Jesu der Auftakt in das Erlösungsgeschehen Gottes mit uns Menschen, mit mir. Die Taufe versichert mir, dass ich von Anfang an getragen, ausgehalten und geborgen bin in den Armen dessen, der auch mir zusagt: „Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter.“

„Während er betete, öffnete sich der Himmel…und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn.“ Wann? Während er betete! Wir sollten uns Zeit zum Gebet nehmen, denn genau hier, im Lauschen auf seine Stimme, spricht der Herr selber hinein in mein Herz: Du bist von mir geliebt und angenommen. Dies zu glauben und im Gebet zu erfahren, macht mich glücklich. So bezeuge ich durch meine Freude am Glauben das Wesen Gottes: Liebe!

„Sie haben keinen Wein mehr.“

Bei der Hochzeit zu Kana, setzt Jesus sein erstes Zeichen dafür, dass mit ihm eine neue Zeit angebrochen ist. Nicht mehr Wasser, nein, Wein in Fülle zeigt den Seinen, dass mit ihm die messianische Zeit begonnen hat. Am Ende des heutigen Evangeliums heißt es von den Jüngern schlicht, dass sie an ihn glaubten. Doch was ging dem voraus? Da steht am Anfang ganz einfach, dass auch Jesus zur Hochzeit eingeladen war. Er kann nur dort Wunder wirken, wo er auch eingeladen ist. Daraus erwächst für mich persönlich die Zusage: „Wenn du mich einlädst, an deinem Leben Anteil zu haben, wenn wir zwei gemeinsam das Leben feiern, wenn du mich hineinlässt in deine Lebenszusammenhänge, dann kann ich auch in deinem Leben Wunder wirken. Dann mache ich aus deinem Lebenswasser meinen göttlichen Lebenswein. Du wirst spüren, dass ich dich heile. Dann wirst du frei, frei für mich und die Menschen, mit denen du zu tun hast.“

Dem Weinwunder geht der Dienst der Kirche voraus. Er ist verkörpert in Maria, die als fürsorgende und fürbittende Mittlerin den Mangel an Wein wahrnimmt, an die Möglichkeiten des Herrn glaubt und ihm so die Not vorträgt. Jesus weist sie mit dem Hinweis auf seine Stunde, die noch nicht gekommen sei, zurück. Die ganze Kirche, als auch der einzelne Glaubende sollte von Maria lernen, dass Gott dann handelt, wann und wie er es für richtig hält. Entscheidend ist doch nur, dass ihre Bitte zur Aufhebung des Mangels führt.

Die Art und Weise wie Maria betet, ist unaufgeregt und geduldig, es ist keine spirituelle Gymnastik oder gar ein angestrengtes Gott bestürmen. Hier ist nichts von Leistung zu spüren, wie wir es oftmals in der Kirche unserer Tage erfahren. Sie betet, indem sie den Mangel sieht und benennt, ihn Gott hinhält und ihn machen lässt. Wenn ich bete, dann darf ich in Geduld darauf hoffen, dass Gott zu dem Zeitpunkt und in der Weise handeln wird, wie es in „seinen“ Augen richtig ist. Vielleicht wird er mir auf meine Bitte hin ein „ja“, ein „nein“ oder auch ein „noch nicht“ zur Antwort geben. Sicher ist allerdings, dass er mich hört und auch handeln wird. Dies glaubend zu wissen ist doch ausreichend, nicht wahr?

Es ist eine schöne Bitte, die Maria da ausspricht: „Sie haben keinen Wein mehr.“ An vielen Stellen, gerade auch in unserem kirchlichen Leben habe ich den Eindruck, dass wir keinen Wein mehr haben. So bete ich mit den Worten Mariens und glaube, dass Gott auch heute in seiner Kirche und in meinem Leben Wunder wirken kann. Wann und wie er will.

  

„Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist unsere Stärke.“

Letztens fragte mich meine Mutter: „Wie geht es dir?“ Ich wunderte mich im positiven Sinne selbst ein wenig über die Antwort, die ich ihr spontan gab. „Mama, ich bin doch sehr glücklich.“ Man darf eins dabei nicht vergessen, ich bin Priester, und wenn man die Gesellschaft und den ein oder anderen Zeitgenossen manchmal so reden hört, geht es doch eigentlich fast allen Priestern schlecht. Sind sie doch überlastet, frustriert oder stehen vor einem Burn-out.

Sogar ein Mitbruder sagte mir einmal, ich solle mal 30 Jahre lang Priester sein, dann hätte ich auch keine Lust mehr. Meine Rückfrage, ob er dies auch jungen Eheleuten mit auf den Weg gebe, blieb unbeantwortet.

Natürlich gibt es da in meinem Leben und Dienst als Priester auch Schwierigkeiten, Ärgernisse, Ängste und die eigene Sünde, auch das Leiden an der Kirche, welches mich hier und da runter zieht. Es gibt auch Tage, da ich mich an der Lebensform des Zölibates stoße. So besuchte mich die Tage noch ein befreundetes Paar. Wir verbrachten ein paar schöne gemeinsame Stunden, dann verabschiedeten sich die Beiden. So verließ mich dieses verliebte Paar und ich blieb allein zurück. Ja, das ist nicht immer einfach, und dennoch kann ich sagen, dass ich glücklich bin und dass es die beste Entscheidung meines Lebens war, diesen Weg zu gehen; Priester zu werden.

In der ersten Lesung finde ich eine Antwort darauf, weshalb ich trotz allem Schweren glücklich bin. „Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist unsere Stärke.“ An Gott habe ich Freude, und das erlebe ich zumeist als eine große Bestärkung. Gerade in schweren Momenten fühle ich mich von ihm getragen. Mir fällt auch immer wieder auf, an wie vielen Stellen er heilend da ist. Gott sei Dank, hat er mir bei allem Traurigen immer wieder auch einen Blick für das Schöne und Tiefe geschenkt. So erfahre ich meinen Beruf als höchst sinnvoll. Gerade heute werden Seelsorger gesucht, die selbst etwas vom Schmerz der Welt erfahren haben.

Ich bete sehr darum, dass junge Menschen sich angesprochen fühlen, Jesus Christus als Priester zu folgen und den Menschen in seinem Namen beizustehen. Eins ist doch klar: Weder der Zölibat, noch die Ehe sind der Himmel auf Erden und doch verweisen beide Lebensformen in ihren Möglichkeiten genau auf diesen. Ich wünsche uns Priestern und dem ganzen Volk Gottes, dass wir bei und in allem sagen können: „Die Freude am Herrn ist unsere Stärke.“

 

  

„Um Haaresbreite wären wir Freunde geworden.“

Wie schnell das kippen kann zwischen Begeisterung, Beifall, Zuspruch und Ergriffensein zu Wut, Ablehnung und sogar dem Willen, jemanden mundtot zu machen. Was wir heute leider oftmals auf der Arbeit, in unseren Familien, Freundeskreisen, aber auch in der Kirche erleben, wurde für Jesus Christus schnell zur brutalen Erfahrung mit seinem Volk.

Gegen Ende seines Wirkens wird sich dieser Widerspruch noch deutlicher zeigen, wenn das Volk ruft: „Hosanna dem Sohne Davids!“ Und kurz darauf: „Ans Kreuz mit ihm!“ Im heutigen Evangelium zeichnet sich ab, dass Jesus nicht für einen gemütlichen, auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner basierenden Glauben mit den Menschen einsteht. Er erwartet Umkehr und die Einsicht, dass das Volk, so wie es lebt, nicht offen ist für den biblischen Gott. Auch heute scheiden sich an Jesus Christus die Geister. Für manche ist er der „liebe Gott“, der zu allem Ja und Amen sagt und stets unsere Seelen streichelt. Für andere ist er der gestrenge Richter, der einmal kommen wird, um den Menschen zu zeigen, wie Gott sich die Welt eigentlich vorgestellt hat.

Der Herr lässt sich weder in theologische Formen gießen, noch ist er ein Gegenstand, den man irgendwann einmal „hat“. Wer Jesus Christus letztlich ist, was er von mir und meinem Leben will, das kann ich nur in der täglichen Auseinandersetzung mit seiner Person erfahren. Auch wenn die Versuchung groß ist, darf ich ihn nicht in meine fertigen Glaubensschubladen einsortieren. Mit Jesus Christus als Person kann und darf ich nie fertig werden. Wenn ich mich ihm täglich hinhalte, ihn im Gebet um seine Meinung bitte und ihn nicht nur als Erfüllungsgehilfe meiner Sehnsüchte und Träume sehe, allein dann lasse ich ihn wahrlich den Auferstandenen, den Lebendigen in meinem Leben sein.

Jesus Christus ist der Menschgewordene Wille Gottes und er lässt sich nicht einfach besitzen. Jeder Christ und sei er auch Papst, Bischof oder Priester, muss im Betrachten der Schrift und im zweckfreien Hören auf die Stimme Gottes im eigenen Herzen neu erspüren, worin der Wille Gottes für ihn und sein Leben besteht.

Wenn ich mit Jesus in wirklicher Freundschaft verbunden sein will, das heißt mit ihm in einer Beziehung leben will, wo er auch derjenige sein darf, der er wirklich ist, dann muss ich aufpassen, dass ich ihn nicht durch meine Vorstellungen und Vorlieben aus der Stadt meines Lebens treibe, um ihn vom Abhang zu stürzen.